Zu Spät! Zu Spät! Zu Spät!


ein Überforderungsprojekt von Lothar Kittstein und Michael Lippold

Karin Kettling: Zu spät!

Fünf Frauen und Männer treffen aufeinander. Sie kennen sich nicht. Was sie verbindet: Sie sind die Heilsmänner und -frauen unserer Zeit – anerkannte Coaches, die täglich nichts anderes machen, als Andere zu trainieren, ihr Leben in den Griff zu kriegen. Jetzt haben sie dieses Fortbildungsseminar gebucht. Höhepunkt ihrer Ausbildung zum Work-&-Life-Coach. Denken sie. Doch als ihr eigener Dozent nicht erscheint, zerbricht die vermeintliche Sicherheit. Die Experten der Selbstbefragung verlieren ihre Antworten. Die Profis der Selbstoptimierung werden zurückgeworfen auf ihr eigenes Ich. Als auch noch eine von ihnen verschwindet, droht die Situation endgültig zu eskalieren. Gibt es diesen Coach, auf den alle warten, überhaupt? Ist alles eine Prüfung? Oder sind wir etwa – allein? Und wer hilft uns dann noch?

 

Am Anfang des Theaterprojekts Zu spät! Zu spät! Zu spät! stand selbst ein Coaching. Die Proben begannen für die Schauspieler als Coaching-Seminar, geleitet von echten Coaches. Aus den Ergebnissen, Recherchen, privaten Lebensläufen der Darsteller und Improvisationen entstand ein Theaterstück, das der renommierte Dramatiker Lothar Kittstein verfasste und das den realistischen Charakterstudien surreale (Alb-)Traumphantasien gegenüber stellt. Bewusst stellt das Stück nicht die Gruppe der Klienten ins Zentrum, sondern legt den Fokus auf die Coaches selber: auf jene, die wissen, wie unsere Welt tickt, und die den Ausweg kennen sollten.

 

Das Theaterprojekt möchte einem der größten Phänomene unserer Zeit nachspüren: dem andauernden Gefühl der Überforderung und der Hoffnung, mit professioneller Hilfe diesem Druck beizukommen. Dem Druck des Alles-schaffen-Müssens und Alles-erreichen-Könnens. Dem Druck der andauernden Selbstoptimierung. Denn wenn du alles sein und erreichen kannst – warum sollst du es dann nicht auch schaffen!? Bei Sartre waren die Hölle die Anderen. Heute ist die Hölle man selbst auf der Suche nach dem optimierten Ich. Aber in was steck’ ich da eigentlich? Ist das noch mein Leben? Wohin läuft es? Und soll es das schon gewesen sein?

 

Zu spät! Zu spät! Zu spät! erkundet die Coaching-Paralleluniversen unserer Gesellschaft, witzig und mit groteskem Biss. Die Inszenierung von Michael Lippold zeigt aber auch, welche tiefgreifenden Bedürfnisse hinter Stress und Überforderung lauern, wenn das Hamsterrad einmal stillsteht. Die Frage, die sich dabei stellt: Sind wir überhaupt noch in der Lage, das Rad anzuhalten? Und wenn ja, wie lange halten wir das aus, bevor wir erneut anfangen zu rennen.

 

Sonja Baum

Karin Kettling

Karin Moog

Bernhard Bauer

Tobias van Dieken

Regie: Michael Lippold

Text: Lothar Kittstein

Bühne und Kostüme: Sarah Bernardy

Eine Produktion der Zu spät GbR

in Koproduktion mit:

Theater im Bauturm, Köln

Rottstr5 Theater, Bochum

Theater im Pumpenhaus, Münster